Kyuba no
michi Japanische Geschichte -
Teil 5
"Minamoto no Yoshiie war ein
unvergleichlicher Krieger. Er brach durch die Reihen der Barbaren und traf
mit seinen Pfeilen einen feindlichen Anführer nach dem anderen. Er ritt
und schoß Pfeile wie ein Gott. Nie verfehlte er sein Ziel, er verwundete
jeden tödlich, den er angriff. Die Barbaren flohen vor Yoshiie, keiner
wollte ihm entgegentreten. Sie nannten ihn Hachiman Tarou, den
erstgeborenen Sohn des Kriegsgottes Hachiman" (aus "Mutsu
Waki")
Rückblick: Aufstieg der
Samurai Der Niedergang der kaiserlichen Macht führte zu umfassenden
Veränderungen im Land. Die antiken Clans kamen als Samurai zurück auf das
Spielfeld der Geschichte.
Der Weg von Bogen und
Pferd Pfeil und Bogen gehören zu den ältesten Waffen der
Menschheit. Auch in Japan ist der Bogen schon seit prähistorischen Zeiten
ein wichtiges Werkzeugen für Jagd und Krieg. Der japanische Bogen wurde
jedoch nie maßgeblich vom Kontinent beeinflußt, so daß sich schon früh
eigene Formen entwickelten. Die Grundform entstand aus dem in Ostasien
verbreiteten Reflexbogen. Zunächst entwickelten sich gerade Langbögen
(Tarashi), doch schon im 3. Jh tauchte die heute typische Form des
unsymmetrischen japanischen Bogens (Yumi) auf. Der Handgriff ist hier
nicht in der Mitte, sondern auf etwa einem Drittel der Höhe. Der Grund für
diese weltweit einzigartige und eigentümliche Form ist umstritten. Es wird
angenommen, daß dies auf die einfachere Handhabung zu Pferde
zurückzuführen ist. Allerdings waren zu jener Zeit berittene Bogenschützen
noch unbekannt und andere Bogenformen im benachbarten Asien (China,
Mongolei) zeigen ganz andere, wenn nicht praktischere Formen eines
Reiterbogens. Doch der Bogen als Kriegsgerät war bei den antiken Clans
Japans so verbreitet, daß die Japaner selbst in chinesischen Chroniken als
"Leute des Langbogens" beschrieben wurden. Nach der Taika-Reform wurde
das Militär in Japan in Fußtruppen aus rekrutierten Bauern und berittene
Offiziere eingeteilt. Die Bewaffnung der Fußtruppen war die Armbrust, die
zusammen mit dem Wehrpflichtsystem aus China importiert wurde. Die
Armbrust ist eine mächtige Kriegswaffe, der Gebrauch ist einfach zu
lernen, doch die Herstellung ist schwierig und teuer. Der Langbogen ist
dagegen einfach herzustellen, jedoch weitaus schwieriger zu handhaben,
besonders vom Pferd aus. Dennoch war der Bogen die bevorzugte Waffe der
Offiziere. Diese stammten ja aus der Clan-Elite und hatten schon eine
lange Tradition mit dieser Waffe. Mit dem Niedergang der kaiserlichen
Macht und der Abschaffung der Wehrpflicht wurden immer weniger Fußtruppen
eingesetzt. Die Armbrust geriet in Vergessenheit, doch der Bogen blieb die
Hauptwaffe der Clans, die nun als Samurai erneut zu einer Militärmacht
wuchsen. Der Bogen wurde sogar zum Synonym für die gesamte Kriegerkaste.
So nannte man sehr starke Krieger Sannin-bari oder Gonnin-bari ("durch
drei b. z. w. fünf Mann zu spannen"). Der Bogen selbst war das Wahrzeichen
eines Kriegers. Erst im späten Mittelalter konnte das Schwert dem Bogen
diesen Rang ablaufen. Bugei, die Militärkunst, war seit der antiken
Zeit auf Pferd und Bogen spezialisiert. In den Kriegsgeschichten wird der
Weg des Kriegers mit "Kyuba no Michi" beschrieben, der "Weg von Bogen und
Pferd". Reiten und Bogenschießen bildeten die Grundlage für alle Krieger
in Japan, zumindest bis ins 17. Jh. Doch der "Weg von Bogen und Pferd"
umfaßte nicht nur Kriegskünste. Alle Eigenschaften, die einen Krieger
auszeichneten: Ehre, Loyalität, Gerechtigkeit, Wahrheit und Treue wurden
unter diesem Begriff zusammengefaßt. Später wurden vor allem die ethischen
Werte des Kriegerdaseins unter dem allgemeineren Begriff "Bushi-Dou", "Weg
des Kriegers" bekannt, auch außerhalb Japans. Diese Verhaltensregeln
wurden sowohl dem Shintou als auch aus dem Buddhismus und Konfuzianismus
entlehnt: Konfuzius regelte die Frage der Loyalität; aus dem Buddhismus
stammen die Lektionen über die Vergänglichkeit des Lebens und Shintou
liefert den patriotischen Gedanken und die Heldenhaftigkeit des
Kriegerdaseins. Die Kunst des Bogenschießens Bogenschießen gehörte
zu den ältesten festgelegte Kampfsystemen Japans. Schon in der Heian-Zeit
entstanden Bogenschulen, die später von den Kriegern weitergeführt wurden
und noch heute existieren. So geht z.B. die Taishi-Ryu noch direkt auf
Shutoku Taishi zurück. Die berühmtesten dieser Kampfsysteme sind die
Ogasawara-, Takeda- und Yoshida-Ryu. Sie haben ihre alten Traditionen
teilweise bis in die Neuzeit behaupten können. Man unterscheidet zwei
grundlegende Arten des Bogenschießens: Hosha (Schießen zu Fuß) und Kisha
(Schießen zu Pferde). Eine Form des Kisha wird noch heute in Kamakura
zelebriert: Yabusame. Bei dem im August stattfindendem Fest versuchen
Reiter im vollen Galopp drei aufeinanderfolgende Scheiben zu treffen.
Versionen des Hosha sind Sperrfeuer wie Kazuya (Vielzahl von Pfeilen)
oder Koshiya (Hüft-Pfeil). Dieser Name bezieht sich auf die vom Hüftköcher
(Ebira) gezogenen Pfeile, die im schnellen Lauf gezielt auf Gegner
mittlerer Distanz abgeschossen wurden. Andere Formen wie Enteki
(Weitschießen) gehen historisch auf das Versenden von Pfeilnachrichten und
das Verschießen von Brandpfeilen (Hi-Ya) zurück. Bis ins späte
Mittelalter blieb der Bogen die Hauptfernwaffe der Samurai, war er doch
schneller nachzuladen und treffsicherer als die ersten Feuerwaffen.
Anfangs konnte man mit dem Bogen sogar weiter schießen. Eine Geschichte,
in der die Schußweite japanischer Bögen gerühmt wird, geht auf den General
Shigeuji zurück, einem Gefolgsmann von Nitta Yoshisada (1301-1338).
Während der Schlacht von Hyogo wurden seine Truppen von den Burgwachen der
belagerten Festung verhöhnt, die sich in sicherer Entfernung wähnten. Doch
statt einer Erwiderung legte Shigeuji einen Pfeil in seinen Bogen und
schoß einen der Prahler über eine Entfernung von 360 m von der Brüstung.
Die größte Entfernung, die mit einem japanischen Bogen erzielt wurde, soll
bei 450 m liegen. Eine andere Tradition des Zielschießens findet noch
heute im Sanjuusangen-dou in Kyoto statt. Der Schütze versucht 24 Stunden
lang, ein Ziel über 120 m zu treffen, das jedoch durch die Decke der Halle
eingeschränkt ist. Im Jahre 1686 stellte der Krieger Wada Daihachi den
beurkundeten Rekord von 8133 Treffern von 13053 Schüssen auf. Das
entspricht einem Durchschnitt von 9 Pfeilen pro Minute! Die Art und
Weise des Schießens hat sich bis heute nicht grundlegend geändert:
Vorbereitung und Pfeileinlegen (Yagamae), Führen des Bogens über den Kopf
(Uchiokoshi), Ausziehen (Nobiai) und Auslösen des Schusses (Hanare) mit
Kiai (Kampfschrei). Der grundlegende Unterschied zu der im Westen
bekannten Art des Bogenschießens liegt im Ausziehen. Der über den Kopf
gehaltene Bogen wird während des Ausziehens nach unten geführt, wobei der
Pfeil jedoch in parallel zur späteren Schußlinie bleibt. Erfolgreiches
Schießen erfordert ein langes Training, da der Schütze neben der
eigentlichen Schußlinie steht und nicht dahinter wie bei Feuerwaffen. Für
die Zielübungen hatten die Anwesen der Clans eigene Schießplätze (Matoba).
Das Trainingsprogramm umfaßte feste und bewegliche Ziele, die man sowohl
zu Fuß als auch zu Pferde treffen mußte. Bogenschützen genossen zu
allen Zeiten großes Ansehen. Selbst im 18. Jh, als der Bogen eigentlich
keine strategische Bedeutung mehr hatte, wurden Schlachten noch
traditionell mit einem "Regen von Pfeilen" eröffnet. Auch heute noch ist
das traditionelle Bogenschießen in Japan verbreitet, jedoch in etwas
abgewandelter Form. Kyuudou, der "Weg des Bogens" ist weniger eine
Kampfkunst, sondern eher eine Disziplin von mentaler und spiritueller
Koordination. Es erfreut sich vor allem bei jungen Japanerinnen großer
Beliebtheit. Aufbau Japanische Bögen sind Compositbogen aus Holz und
Bambus, die mit einer Wicklung aus dem Gewebe der Fiederpalme und einer
schützenden Lackierung versehen werden. Der Durchmesser der Bögen beträgt
2,5 bis 3 cm, die Länge ist abhängig von der Auszugslänge des Schützen,
beträgt aber im Durchschnitt 1,80 m. Kriegsbögen versah man mit speziellen
Sehnen (Tsuru), die aus Hanf gedreht wurden. Um sie vor Nässe zu schützen,
wurden auch sie lackiert (Nuri-Tsuru) und mit Kusune, einem Pflegemittel,
eingefettet. Um die Schlaufen der Sehnen vor Abrieb zu bewahren, umwand
man sie noch mit Seide oder Papier. Ersatzsehen trug man gerollt
(Tsuru-Maki) in einem Sehnenbeutel (Tsuru-Bukoro) am Köcher oder Gürtel.
Die Bögen wurden in einer Leinenhülle (Yumi-Bukoro) mit dem Clanwappen
(Mon) aufbewahrt. Einige Familien bevorzugten auch eigene Farben für diese
Hüllen, so führten z.B. die Taira rote und die Minamoto weiße
Yumi-Bukoro. Die Pfeile bestanden vorzugsweise aus Bambus und hatten
eine Lange von ca. 1 m, abhängig von der Auszugslänge. Kriegspfeile
(Seisen) lackierte man gewöhnlich schwarz und versah sie mit drei oder
vier Federn von Habichten oder Kranichen. Die Federn wurden mit einer
Wicklung befestigt, die auch der Pfeilkerbe (Yahazu) mehr Festigkeit gab.
Diese wurde bei den Kriegspfeilen direkt in den Schaft eingeschnitten.
Pfeile für den Kampf wurden mit extra dafür vorgesehenen Spitzen (Ne)
versehen. Die Form der Pfeilspitzen, meist 3 bis 5 cm lang, liefert den
Namen des Pfeiles. Die gebräuchlichsten Pfeilformen für Kampfeinsätze
waren Hoko-Ya (Lanzen-Pfeil), Karimata-Ya (Wildgansfuß-Pfeil) und
Toriji-Ya (Vogelzungen-Pfeil), da man sie gegen gepanzerte und
ungepanzerte Ziele einsetzen konnte. Daneben gab es auch spezielle
schildbrechende Pfeile, wie den Tatewari-Ya. Ein besonders interessanter
Pfeilkopf besteht aus einem hölzernen Kolben mit Löchern, der pfeift, wenn
er durch die Luft fliegt. Dieser "Kabura-Ya", Rübenpfeil genannte Pfeil
wurde als Signal benutzt. Auch bei Shintou-Zeremonien wurden Kabura-Ya
eingesetzt. Mit ihrem Pfeifton sollten sie böse Geister vertreiben.
Die Pfeilspitzen wurden im Mittelalter von eigens dafür vorgesehenen
Waffenschmieden gefertigt. Einige Fürstenfamilien beschäftigten neben
Bogenmachern (Yumi-Shi) auch spezielle Dynastien von Pfeilschmieden, wie
die Familie Kuchindo des Fürsten Toyotomi oder die Familie Korai des
Oda-Clans. Sie fertigten Pfeilspitzen von solcher Güte, daß man sie sogar
mit dem Wert von Schwertklingen gleichsetzte. Die Pfeile wurden in
einem nach oben offenen Köcher, Ebira an der rechten Hüfte getragen. Der
Ebira ist von seiner Grundform aber eher ein "Körbchen" als ein Köcher im
herkömmlichen Sinne. Selbst der Name "Ebira" stammt von einem Gerät
gleichen Aussehens aus der Seidenraupenzucht. Um den Pfeilen besseren Halt
zu geben und ein gegenseitiges Verhaken der Spitzen zu verhindern, wurden
sie in ein vormontiertes Gitter eingesetzt. Die Pfeile konnten so kurz
hinter der Spitze gegriffen, herausgenommen und von unten in den Bogen
geführt werden. Diese Methode war besonders beim Reiten von Vorteil. Mit
dem europäischen Rückenköcher ist dies nicht so einfach möglich. Bei
einigen Köcherformen (Utsubo) schützte ein zusätzliches Futteral über dem
Köcher die Pfeile und besonders die Federn vor Regen und Verschmutzung.
Pfeilgarnituren bestanden aus bis zu 40Geschossen, üblich waren jedoch
Kombinationen aus 16 bis 25 Pfeilen inklusive eines Stützpfeils (Taini-Ya)
der nicht verschossen wurde, sondern als Haltestange des Köchers
fungierte. Zum Teil versah man die Pfeile auch mit Namen, Clan und Provinz
des Schützen, getreu dem Kodex eines ehrenhaften
Kampfes.
Japanische Namen Die grundlegende
gesellschaftliche Ordnung im historischen Japan bildeten die Clans. Ein
Clan ist ein Familienverband, der seine innere Festigkeit auf
Blutsverwandschaft gründet. Mit der Taika-Reform jedoch wurden die Clans
enteignet und verloren ihre wirtschaftliche Basis. Kleineren
Familienverbände zerfielen und nur die großen Clans konnten diese Zeit
überstehen. Es gab aber auch Familien, die viel Einfluß im Reich
erlangten: Kuge, der Hofadel. Die Familie Fujiwara stand dabei allen
voran. Bei der Entstehung der Samurai waren aber besonders die
enteigneten Clans der Provinzen von Bedeutung. Ihr Wandel zu
Samurai-Familien gab ihnen trotz der Abhängigkeit von einem Lehnsherren
die frühere Einigkeit zurück. Diese ehemals verstreuten Familien wurden
mit der Zeit eine neue Elite: Buke, Militäradel. Das Leben in diesen Clans
wurde stark vom Militärcharakter geprägt. Kinder gehörten zunächst zu
ihrer Mutter. Erst im Alter von 15 Jahren wurde ein Knabe mit dem Genpuku
(Initiirungsfest) in die Reihen des Clans aufgenommen und zum legitimen
Sohn seines Vaters. Dabei erhielt er seine ersten Waffen und bestimmte
selbst den Vornamen, den er als Mann tragen wollte. Auch den Clannamen
durfte er erst nach dem Genpuku führen. Das Privileg eines Familiennamens
hatten nur Mitglieder eines Clans, die einfachen Leuten hatten keine
Familiennamen. Der Familienname ist somit weniger ein Name im westlichen
Sinne, sondern eher ein Titel, den man zu Ehren seines Clans trägt. Man
nannte sich "<Vorname> vom Clan der <Clan-Name>", auf
japanisch: "<Clan-Name> no <Vorname>". Das zwischenstehende
"no" verschwand mit der Zeit, doch in historischen Texten wird es vielfach
mitgesprochen, auch wenn es nicht explizit im Text geschrieben steht. Dies
ist die traditionelle Lesung von alten Namen. Dem einfachen Volk wurde
erst nach der Meiji-Restoration von 1868 Familiennamen erlaubt. Viele
wählten sich einen bekannten Namen, so daß heute die Anzahl der
verschiedenen japanischen Familiennamen relativ begrenzt ist. Die meisten
Familiennamen bestehen aus Kanji mit japanischer Lesung (Kun-Yomi).
Ausnahme sind Bezeichnungen von Titeln, die ab der Nara-Zeit am Kaiserhof
geschaffen wurden und später zu Familiennamen wurden. Diese haben
chinesische Lesung (On-Yomi). Bei Vornamen kann man dies nicht in der
Weise generalisieren, doch sie enthalten in der Regel typische Elemente,
die bei aufmerksamer Betrachtung auffällig werden. Die Reihenfolge von
japanischen Namen (erst Familienname, dann Vorname) wird noch heute in
Japan verwendet. Jeder, der von sich behaupten will, die japanische Kultur
zu respektieren, sollte diese Tradition beachten.
Script: Stephan Henker
|