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Das berittene BogenschießenSkythen, Assyrer, Meder, Parther, Sarmaten, Hunnen, Köktürken und Mongolen um nur einige zu nennen, sie alle waren erfolgreiche Reiterkrieger. Sie kamen aus den Weiten der innerasiatischen Steppe und überrannten mit ihrer unerhörten Kriegskunst, dem berittenen Bogenschießen, die stehenden Heere der sesshaften Hochkulturen und gründeten eigene riesige Reiche, deren Ausmaße uns heute noch in Staunen versetzt. Reiterboten der Mongolen gelang es innerhalb eines knappen Monats von den Ostgrenzen Chinas die westlichsten Heere des Kublai Khans von den fernen Eroberungen seiner Heerführer zu unterrichten. Die Mongolen errichteten in Asien eine funktionierende, berittene Post lange bevor es den amerikanischen Ponyexpress gab. Mit dem Siegeszug der Feuerwaffen verlor der Bogen schnell an Bedeutung als Kriegs- und Jagdwaffe und mit dem Maschinengewehr verlor der Berittene die Seine. So hat Pferd und Bogen nur noch im Sport Zuspruch und werden heute in den Disziplinen Spring-, Dressur- und Militaryreiten (Vielseitigkeit) oder Recurve- und Compoundbogenschießen sogar als olympische Sportarten geführt. Keiner wagte aber die Kombination das berittene Bogenschießen zu einer anspruchvollen und ansprechenden Sportart auszubauen, bis Lajos Kassai aus Ungarn vor etwa 17 Jahren damit begann. Es gibt zwar seit über 600 Jahren das streng ritualisierte, berittene Bogenschießen der Japaner, das Yabusame, es ist allerdings nur echtem, japanischem Samuraiadel vorbehalten. In Korea versucht sich seit ein paar Jahren eine Gruppe von Reenactors und Stuntmen die alte Reiterkriegskunst wieder zu beleben, siehe der Film „Dungeon and Dragon.“ Die Plainsindianer Amerikas haben ihre Jagdkunst, die berittene Büffeljagd mit Pfeil und Bogen, mit dem Verschwinden der Büffel eingebüßt und Nachkommen der Sioux, die Lajos Kassai vor zwei Jahren besuchten, um ihre alte Kunst wiederzuerlernen, konnten versichern, dass kein heutiger Indianer mehr etwas vom berittenen Bogenschießen verstünde. Die Regeln des berittenen Bogenschießens, die Kassai im Laufe der Jahre ausgearbeitet hat, sind die Anspruchsvollsten, was Timing, Geschwindigkeit, Zielgenauigkeit und Konzentration anbelangt. Die Bogenbahn, auf der geschossen werden darf, ist lediglich 90m lang, unterteilt in 30m lange Teilstrecken. Sie muss in mindestens 16sec durchritten sein. Im ersten Teilstück wird nach vorne, im zweiten zur Seite, im letzten nach hinten geschossen, dem sogenannten Partherschuß. 9m entfernt, in 2,50m Höhe, mit 90cm Durchmesser sind drei Zielscheiben aufgestellt. Der erste und letzte mögliche Schuß liegt bei ca. 50 Metern, der Kürzeste zur Seite bei minimal 9m. Der Bogenschütze darf so viele Pfeile (3-11 Pfeile) abfeuern, so viele ihm gelingen. Ist sein Pferd schneller als die erforderlichen 16sec, wird die Zeit zu seinen Treffern hinzugezählt. Während neun Galopps werden seine Punkte addiert. Die ungeheure Schwierigkeit beim berittenen Bogenschießen besteht darin, dass sich permanent der Winkel und die Entfernung zu den Zielen ändert. Zudem muss das Pferd in einem regelmäßigen, zügigen und geradlinigen Galopp gehalten werden, will man überhaupt eine Chance auf ein gleichmäßiges Trefferbild haben. Dafür ist eine große Konzentrationsfähigkeit und sehr gutes Rhythmusgefühl notwendig, denn der beste Zeitpunkt für den Release, das Lösen des Pfeils ist dann erreicht, wenn das Pferd mit allen vier Beinen während des Galopps in der Luft „schwebt“ und damit am ruhigsten ist. Ich habe recht unbedarft, ohne zu wissen auf was ich mich da überhaupt eingelassen habe, vor 7 Jahren mit großer Begeisterung diesen Sport mit Lajos Kassai als Lehrer angefangen. War am Anfang mein Problem überhaupt mit Pfeil und Bogen, die nötige Geschwindigkeit und Präzision zu erlangen, um 3 Pfeile innerhalb von 4 Sekunden zu schießen und ein Ziel zu treffen, als langjähriger FITA Schütze hatte ich mich hauptsächlich sehr bedächtig beim Bogenschießen bewegt, Eile galt als Teufelswerk, die den inneren Rhythmus stört und Treffer unmöglich machten, so wusste ich auch um eine weitere Unfähigkeit – Reiten! Es gelang mir zwar dieses Manko mit Reitstunden und wundem Hintern und ein paar Stürzen nach etwa zwei Jahren zu beseitigen, doch damit war ich noch nicht am Ziel, mit Pfeil und Bogen auf der Bogenbahn nur einigermaßen gute Treffer zu landen, geschweige denn nur einen Pfeil mit dem Bogen zu spannen und dann noch im richtigen Moment loszulassen. Es machte zwar alles einen Riesenspaß und dieser Sport erzeugte bei mir bis dahin noch nie gekannte Glücksmomente, ein Ritt auf der Bahn versorgte mich mit einem ungeheuren Maß an Seligkeit für die ganze Arbeitswoche als Softwareberater für die Chemisch-Pharmazeutische Industrie, aber mir war einfach nicht klar, wie man das Ziel überhaupt mit einiger Sicherheit trifft. Immer und immer wieder schaute ich Lajos Kassai und seinen Meisterschülern zu, um hinter ihr Geheimnis zu kommen und fand es nicht. Zwar sprachen sie von ihren Erlebnissen am Abend nach den Wettkämpfen in der Jurte, wie wichtig der Rhythmus sei, doch irgendwie verstand ich nicht von was sie sprachen und das lag ganz bestimmt nicht an meiner charmanten Übersetzerin. So versuchte ich mich wieder zuhause in Deutschland an der Pferdeausbildung, wie bringt man einem Pferd bei, den Bogen und Pfeile zu akzeptieren? Wie bringt man einem Pferd bei, nur mit Sitz und Beinhilfen geradeaus zugaloppieren, obwohl sich der Schwerpunkt ständig ändert? Wie stoppt man ein Pferd allein über Stimmhilfen und Sitz? Wie wird dein Pferd zu deinem Freund, auf den Du dich verlassen kannst und dein Pferd sich auf Dich? Ich kaufte mir ein Pferd, dann noch eins und noch eins, bekam eines geschenkt und noch eins, verkaufte wieder eins und so weiter. Übte mit Schulpferden und fremden Pferden, holte mir Rat bei Literatur von Monty Roberts, Pat Parelli, Wiemers und Videos über die Knie Familie und, und, und. Ich war gefangen in einem Wirrwarr von Informationen und Erfahrungen und benötigte Anleitung, einen kleinen Anstoß, damit es weiter ging. Ich fand ihn bei Judith Mauss, der ich stundenlang bei der Arbeit zuschauen kann und alles in mich aufsauge, was sie während ihrer Pferdearbeit zeigt. Sie hat mir die Möglichkeit einer reichen Kommunikation mit Pferden gezeigt, einen sehr liebevollen Dialog zwischen zwei Spezies, die unterschiedlicher nicht sein können, Mensch und Pferd. Und mit einem Mal war mir klar, was Lajos mir vor Jahren sagte: „Let the horse carry you and let the bow shoot the arrow!“ Nicht ich bin es der schießt, es ist der Bogen, das ist das Ziel des Kjudo im Zen und „let the horse carry you“ ist dessen Entsprechung für den ritterlichen Reiter, der mit seinem vierbeinigen Freund auf die Jagd geht, die Jagd nach goldenen Schüssen, die selig und süchtig machen. Erst wenn Du dich von deinem Pferd in seinem ihm angemessenen Rhythmus tragen lässt, dann diesen Rhythmus in dich aufnimmst und im Rhythmus deine Pfeile löst, damit der Bogen sie abschießt, dann geschieht das Unmögliche, es reihen sich Treffer an Treffer, und irgendwie hat das Ganze mit Dir nicht viel zu tun. Es ist keine Routine, sondern ein eigenartiges Empfinden, von über den Dingen schweben und dabei trotzdem innig mit ihnen verbunden sein, du bist Pferd und Bogen, Pfeil und Galoppschwung, Zielscheibe und Bahn gleichzeitig, und irgendwie wird dir klar, berittenes Bogenschießen ist kein Sport, sondern ein Weg. Christian Schrade und meine Vorfahren Verfasser von www.steppenreiter.de Organisation und Ausrichter der EOCHA (european open competition of horse archers) www.eocha.org |
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