Der Steppenreiter

      
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Bogen | Ungarn in Bayern
   
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Magyaren stürmen Bayern

Arnulf der Böse und die Magyaren

  "... und vor den Pfeilen der Magyaren beschütze uns, oh Herr!"

Papst Benedikt änderte mit diesem Bittgebet die katholische Liturgie um einen Zusatz, der die Hilflosigkeit und den Mangel kombatanter Kräfte des christlichen Abendlandes um 900 gegenüber den heidnischen Steppenreitern kennzeichnete. Schon wie ihre Vorgänger, die Hunnen 400 Jahre zuvor, stürmen magyarische Reitertrupps nach Norditalien und Bayern entlang der alten Römerstraßen bis nach Augsburg vor.

  Ihre alljährlichen Überfälle berauben die Landbevölkerung ihrer Ernte und Vieh. Geschickt weichen die mobilen Einsatztrupps jeder Festung, in denen sich die frühmittelalterlichen Kämpfer verschanzten und deren schweren Reiterei, aus. Eine Vielzahl selbständig operierender Reiterverbände durchziehen das ungeschützte Land und vermitteln so den Eindruck ihrer Allgegenwärtigkeit.

  In den überfallenden Gebieten macht sich Endzeitstimmung breit. Der mittelalterliche Ritter ist in den weiten Ebenen des Po Oberitaliens und des bayrischen Voralpenlandes hilflos unterlegen. Die Steppenreiter attackieren schnell, ziehen sich zurück, attackieren erneut, stets vermeiden sie die direkte Schlacht. Es ist wie der Kampf des David gegen Goliath. Goliath, hier der europäische Panzerreiter, ist besser bewaffnet und gepanzert als David. Seine Waffen, die Lanze und das Schwert sind Nahkampfwaffen, Mann gegen Mann. Auch seine Rüstung ist für eventuelle Verletzungen eines Nahkampfes konzipiert. David hingegen, in unserem Fall der magyarische Bogenreiter, ist ungepanzert, sein Lederwams würde einer Attacke des Goliath nicht standhalten oder ihn schützen können. Doch seine Waffe – David selbst nutzte die Schleuder der Hirten, die Magyaren sind Meister des Bogenschießens – ist eine Lenkwaffe für den Kampf über große Distanzen hinweg ausgelegt.

  Wenn nun die biblische Geschichte den Sieg des David über Goliath als wundersame Tat verkauft, so läßt sich unschwer erkennen, daß David, solange dieser den Nahkampf vermeiden kann, Goliath stets überlegen ist. Denn irgendwann mußte jener seine Deckung aufgeben, um David zu verfolgen den Kampf mit ihm suchend. In diesem Moment mußte es David gelingen, der als Meister der Steinschleuder beschrieben wird, einen Stein auf Goliath abzufeuern, ihn tödlich treffen! Das aber war nur eine Frage der Zeit! Eben die gleiche Taktik nutzten die Magyaren bei ihren Überfällen, wendig und schnell galoppierend weichen sie dem Nahkampf mit der schweren Reiterrei aus. Und solange es den gepanzerten Rittern nicht gelang die 300 Meter Distanz zu den ungarischen Reitern zu überwinden, hatten sie nie eine wirkliche Chance ihre Waffen zum Einsatz zu bringen. Sie verfügten über kein Mittel den schwarzen Wolken gleich daherschwirrenden Pfeilen zu entgehen, die die Steppenreiter im wilden Galopp aus jeder Position von ihren Pferden abfeuerten. Dem christlichen Abendland bleibt nur das Gebet: " ...und beschirme uns vor den Pfeilen der Magyaren, oh Herr!"


Markgraf Luitpold scheitert trotz seines gewaltigen Heerzugs

 

Die Waffen der Ungarn aus dem 9 Jhd.Im Jahr 907 sammelte Markgraf Luitpold von Bayern ein für die karolingische Zeit riesengroßes Heer zur großangelegten Offensive gegen die Ungarn nach Pannonien. Sein Ziel die alljährlichen Raubüberfälle der Magyaren endgültig zu unterbinden. Mit seinem gewaltigen Heerzug an dem auch der Erzbischof von Salzburg und Fürst Borovoij der Tschechei teilnahmen, kam es am 4.Juli 907 zur Schlacht mit Àrpad und seinen ungarischen Reiterhorden. Sie wurde mit äußerster Erbitterung gekämpft und endete mit der völligen Vernichtung von Luipolts Heer. Der Markgraf fiel, ebenso der Erzbischof, vermutlich auch Fürst Borovoij, er wird seither in den Quellen nicht mehr erwähnt. 

Die Taktik der Magyaren

  Welch ungeheure Waffe die berittenen Schützen waren, kann man sich nur vorstellen, wenn man weiß, daß ein geübter Schütze 20 bis 30 Pfeile pro Minute in gestrecktem Galopp aus fast jeder Position abfeuern kann. Seine Treffsicherheit dürfte zwar nur bei 40 - 70 Metern gelegen haben, die weiteste Distanz, die der Pfeil zurücklegt aber bei erstaunlichen 250 bis 300 Metern. 

 Daß diese Distanzen mit magyarischen Bogen ohne weiteres erreicht wurden, zeigen die Nachbauten und Untersuchungen des Prof. Gyula Szabo. Hält man sich nun vor Augen, daß Angriffe von hundert und mehr Reitern intervallartig geführt werden, die während der gesamten Zeit Pfeile abfeuern, so kommt man rechnerisch auf einen Pfeilregen von 3000 Pfeilen pro Minute. Diese schwarzen Pfeilwolken führen zum Aufreiben und zur Demoralisierung der gegnerischen Verbände, die gegen diese Waffe kein Abwehrmittel haben. Denn die mittelalterlichen Panzerreiter sind viel zu langsam, um die schnellen und leichten Reiter zum Kampf zu stellen.

Pfeilspitzen 9 Jhd.Aber auch auf ungarischer Seite dürfte das Konzept der Vermeidung des Nahkampfes nicht durchgehend erfolgreich gewesen sein. In dieser Schlacht erleiden auch sie erhebliche Verluste, zu denen wahrscheinlich ihr Gyula (Führer) Àrpad gehörten. Sein Nachfolger Szabolcs erobert indessen noch im gleichen Jahr sie südöstlichen Gebiete der Slowakei bis ins Erzgebirge hinein.

Bayrische Gegenmaßnahmen

  Auf bayrischer Seite bildeten sich nach diesem Desaster Bürgerwehren, denn vom hilflosen Kinderkönig Ludwig war keine Unterstützung zu erwarten. Die Ungarn überwanden wann und wo sie wollten das bayrische Grenzland, selbst die Ennslinie bildete für sie kein Hindernis mehr. Der bayrischen Bevölkerung blieb keine andere Wahl als Bürgerwehren zu bilden und sich in schwer zugänglichen Waldverhauen zu verschanzen. Als ihren Anführer wählten sie Arnulf, den Sohn ihres gefallenen Markgrafen Luitpolt. Dieser ging mit viel jugendlicher Energie daran die bayrische Heimwehr militärisch auszubilden und die Befestigungsanlagen auszubauen. Allerdings konnten die weiten Ebenen des Donaugebietes ohne Reiterei nicht wirklich verteidigt werden.

  Arnulf mußte also ein Reiterheer zusammenstellen. Reiter und deren Ausrüstung sind jedoch teuer. So unterwarf er also die weltlichen und kirchlichen Großgrundbesitzer der Belehnungspflicht und forderte sie auf je 10 Bauern einen Reiter, dessen Ausrüstung und Verpflegung zu stellen. Der Klerus jedoch verweigerte mit allerlei Ausreden die Bereitstellung der Reiter heraus.

Magyarische Tracht der Krieger 8Jhd bis 1000 nChr.

 

Der Aufstieg des Arnulf

  Im Jahr 909 gelang es Arnulf bei Freising zum ersten Mal die Ungarn zu schlagen. Das Gebiet von Freising war für die magyarische Reitertechnik ungeeignet. Im Osten begrenzt durch die Isar, im Westen durch das sumpfige Gebiet des Dachauer Moos und die für die Bayern taktisch günstig gelegene, befestigte Bischofsstadt selbst, engten die Reiterei der Ungarn ein und ließ deren weiträumige Angriffstechnik nicht zur Entfaltung bringen. Jetzt gelang es den bayrischen Goliaths die Angriffsdistanz zur leichten magyarischen Reiterei zu überwinden. Diese für den Nahkampf nicht Ausgerüsteten waren den bayrischen Panzerreitern hilflos ausgeliefert, welche unter den Ungarn ein furchtbares Gemetzel anrichteten.

  Bayern atmete auf und jubelte dem jungen Sieger zu! Anstatt ihn aber weiter zu unterstützen und ihre Lehnspflicht zu erfüllen, erklärte der Klerus, die Magyaren für endgültig besiegt und damit ihrer Pflicht enthoben. Arnulf hingegen befürchtete weitere Überfälle aus Ungarn und forderte die Aufstockung seiner Reiter und drohte mit der Beschlagnahme, wenn die Lehnspflicht nicht erfüllt würde. Als er seine Drohung durchzusetzen begann, ging ein Aufschrei durch den Klerus. Salomon, Bischof von Konstanz, Wortführer der Kirche gegen Arnulf brachte scharfe Anklagen und formelle Gründe für die Unzulässigkeit von Arnulfs Maßnahmen beim König vor. Erzbischof Hatto von Mainz untersagte dann Arnulf die "rechtswidrige Enteignung" von Kirchengut. Die zukünftige Verteidigung Bayerns wurde zur Reichssache erklärt. So entmachtet zog sich Arnulf grollend und zornig nach Südtirol zurück – machte, wie heute viele Bayern, zuerst einmal Ferien am Gardasee – und überließ den Bischöfen und dem Kinderkönig Ludwig die Verteidigung Bayerns.

Die Lehenspyramide verdeutlicht den Affront des Arnulf gegen die Kirche  Und die Ungarn kamen wieder. 910 plünderten sie halb Bayern und waren gerade im Begriff Augsburg zu attackieren, als der ostfränkische, königliche Heer mit seinen Panzerreitern erschien. Ganz im Gegensatz zu Freising bietet das obere Lechfeld den Magyaren aber die vortreffliche Voraussetzungen für die Anwendung ihrer Kriegskünste. Dem fränkischen Goliath gelingt es nicht zum Nahkampf zu kommen und das königliche Heer mußte sich unter herben Verlusten geschlagen geben. Zu allem Übel wurde der Abzug dann beinah noch zur Katastrophe, indem Erzbischof Hatto sein Ungeschick mit dem Leben bezahlt hätte. Diese Schlacht wurde für Arnulf, der an ihr nicht teilnahm, zum größten Sieg.

  Sein Ruhm als Bezwinger der Ungarn erstrahlte heller als je zuvor, während der Klerus und die Reichszentrale, wie geschlagene Hunde zurück in ihren Bau fliehen mußten. Bayern rief in seiner Verzweiflung nach Arnulf und er kam. Jetzt wurde er zum Arnulf durch göttliche Fügung Herzog der Bayern und seiner angrenzenden Gebiete.


Friede mit den Magyaren

Er hätte sich aber auch König von Bayern nennen können. Denn um seine Wehrpolitik durchzusetzen, ernannte er neue Bischöfe, widmete Kirchengut in weltliches um und verlieh diese 'verbo regis' seinen verdienten Kämpfern. Dies allein sind aber alles Königsrechte. Der Klerus erzürnt über seine Politik und soviel Frechheit gab ihm dem Beinamen Malus, der Böse. So geht Arnulf über viele Jahrhunderte als Arnulf der Böse in die Geschichte ein. Unbeirrt säkularisiert er jedoch die Kirchenlehen und 'reisigen Recken', dahergelaufenen Kämpfern, gleich welcher Profession, nimmt er den Treueschwur ab und verspricht sie reichlich zu entlohnen. Szabolcs, der Gyula der Magyaren, änderte nach der Niederlage von Freising seine Taktik. Angriffe und Raubzüge werden nicht mehr gemeinsam durchgeführt. Sondern wie zu Àrpads Zeiten in Oberitalien durchkämmen kleine selbständig operierende Einheiten die bayrischen Donauebenen.

Arnulf gelang es nur dann gegen die Reiterhorden erfolgreich vorzugehen, wenn sie reich mit Beute geladen und damit langsam geworden ihre kampfentscheidende Mobilität verloren hatten. Nach einem seit dem Frühjahr 913 für die Ungarn erfolgreich geführten Beutezug, gelang es Arnulf erst im Spätsommer Szabolcs in seinem Hauptquartier zu stellen. Nun war es aber die Beute der Magyaren, insbesondere das geraubte Vieh, was den Meisterschützen zum Verhängnis wurde. Das in Panik gefallene Vieh behinderte die Magyaren so sehr, daß die bayrischen Panzerreiter schnell zum Nahkampf übergehen konnten. Es drohte für die Ungarn zu einem verhängnisvollen Gemetzel zu werden, als ein magyarischer Parlamentär bei Arnulf eintraf und um Friedensverhandlungen bat. Arnulf zeigte Größe, er gebot sofort den Abbruch aller Kampfhandlungen. Seine Gefolgsleute, den klaren Sieg vor Augen, leisteten ausnahmslos Arnulfs Gebot Folge, was dessen starken Einfluß auf seine Truppe zeigt.König Otto II, Bezwinger der Magyaren

Zwischen Szabolcs und Arnulf wurde ein Friede ausgehandelt, der sich für beide Parteien zu einer zuverlässigen und schützenden Freundschaft entwickelte. So floh Arnulf mit seinen Getreuen zu seinen einstigen Feinden, als König Konrad, Nachfolger des verstorbenen Kinderkönigs Ludwig, mit einem Heer nach Regensburg vorrückte, um der klerikalen Forderung nach Restitution der "geraubten" Kirchenlehen Nachdruck zu verleihen. Leicht hätte sich Arnulf dem königlichen Willen beugen können und seine Getreuen im Stich lassen und sein Wort sie reich zu entlohnen brechen. Hier aber zeigt sich die wahrhaft ritterliche Größe Arnulfs, der das Exil im Kreis seiner Mitstreiter einem Leben in Wohlstand unter Verleugnung seines Treueschwurs vorzieht. So flieht er zu Szabolcs und den Magyaren, und die einstigen Feinde nehmen ihn auf und weisen ihm und seinen Kämpfern das Gebiet jenseits des Enns bei Pöchlarn zu. Hier lernt er seine schöne Magyarin kennen, die er später heiratet und welche dann den christlichen Taufnamen Agnes trägt.

 

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