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Geschichten und Erzählungen
Auf jedem Marktplatz im Orient oder an den Lagerfeuern der Steppenvölker gibt es die
Geschichtenerzähler. Sie unterhalten, geben die Weisheit der Alten weiter und finden, wo
immer sie sind, lauschende Ohren. Ihre Erzählungen begeistern, machen traurig, sind
spannend, bringen den Zuhörer zum Lachen und schmunzeln.
Hier werden Geschichten der Steppenvölker veröffentlicht, kennt Ihr welche, so
schickt Sie mir (cschrade@steppenreiter.de),
damit sie hier "erzählt" werden können.
Die erste Geschichte kommt von Salim Spohr, aus
seinem Wochenblatt der Lichtblick Nr.21, und heißt:
Liebe auf Oghusisch
Zu einer Zeit, lange vor unserer Zeit, bei dem wilden
und heroischen Volke der Oghusen, da das Gebet ihrer Beghe noch ein richtiges Gebet und
ihr Fluch noch ein richtiger Fluch war, ward auf das Gebet der Beghe hin dem weithin
bekannten Helden Bayböre Begh ein Sohn geboren und einem anderen, dem Baybidschan
Begh,
eine Tochter. Baybidschan Begh hatte bei Gott dem Allmächtigen sein Wort gegeben, diese
Tochter durch Wiegenkerbung Bayböre Beghs Sohn zu versprechen. Als Bayböres Sohn
zärtlich nannte er ihn Bamsi, ein Jungmann war, ging dieser hinaus, um sich zu beweisen;
denn um einen richtigen Namen zu erhalten, mußte ein junger Mann Blut vergießen. So ging
er auf die Jagd. Der stolze Vater beabsichtigte, ihn mit kostbaren Gaben zu be- schenken: einem
Meeresroß, einem mit Feder- büschen
geschmückten Streitkolben und einem weißge- puderten Bogen, und er hatte daher Kaufleute
in die Ferne aus- gesandt. Doch diese wurden ausgeraubt und in Gefangen- schaft genom-
men. Bamsi, gerade in der Nähe auf der Jagd, war da gefordert, es mit den Räubern
aufzunehmen. Und das tat er gezie- mend: Er tötete die Kafire im Schwertkampf und rettete
Hab und Gut der Kaufleute nicht ahnend, daß sie seine eigenen Geschenke
heimtrugen. Da hörte der Vater von der Geschichte, und die Kaufleute berichteten:
"Ja, er hat Köpfe abgeschla- gen, Blut vergossen und Männer gefällt!" So
sprach der Sheikh, Erzvater Korkut: "Höre mein Wort, Bayböre Begh! Allah der
Erhabene hat dir einen Sohn gegeben; möge er dir erhalten bleiben! Ergreift er das
schwere Banner, mögen die Muslime ihm Gefolgschaft leisten! Er hat sich bewährt
möge sein Name nun sein
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Bamsi Beyrek, der Grauschimmelreiter! Den Namen gab ich
gebe Allah ihm Leben!" Da beteten die OghusenBeghe zusammen und gingen
gemeinsam auf Jagd. Bamsi Beyrek stieb einem Hirschen nach und näherte sich dabei dem
roten Zelt eines blauäugigen Mädchens. Die Herrin des Zeltes,
Banitschitschek, neugierig
geworden, verschleiert sich geschwind und will nun wissen: "Recke, woher des Weges?
Zu wem gehörst du in ItschOghusenland? Und mit welcher Absicht kommst du, Recke?" Da
erwidert er: "Beybidschan Begh soll eine Tochter haben, die zu sehen kam ich."
"Das ist aber keine, die sich von dir ansehen ließe! Ich bin eine Amme
Banitschitscheks", verstellt sie sich, "komm, laß uns zusammen auf die Jagd
gehen. Wenn dein Roß das meine überholt, dann überholt es auch das ihrige. Und dann
wollen wir Pfeile schießen. Schießt du weiter als ich, dann bist du auch ihr überlegen.
Schließlich wollen wir ringen. Wirfst du mich nieder, dann bezwingst du auch sie."
Beyrek wars zufrieden: "Gut, macht euch beritten!" Da wetteiferten sie
miteinander... "Heda, Recke!", rief sie ihm zu, "noch nie hat jemand mein
Roß überholt. Noch nie hat jemand meinen Pfeil gespalten. Nun, komm, laß uns
miteinander ringen!" Sie packten einander, zwei Ringkämpfern gleich umfingen sie
sich. Mal packte Beyrek zu, um das Mädchen zu werfen, mal packte das Mädchen zu, um
Beyrek zu werfen. Beyrek wurde es sonderbar zmute. Er sagte sich: "Falls ich mich von
diesem Mädchen werfen lasse, werden die mächtigen Oghusenbeghe mir das vorhalten und
sich über mich lustig machen. Er gab sich einen Ruck, griff zu und bekam das Mädchen am
Brustriemen zu fassen, packte es an der Brust. Das Mädchen schüttelte ihn ab. Jetzt
griff er dem Mädchen um die schmale Hüfte, hob es aus und warf es zu Boden. Da gab sich
die Banitschitschek zu erkennen. Beyrek küßt sie dreimal und hinterläßt ihr den
Abdruck seiner Zähne mit den Worten: "Möge deine Hochzeit blutig sein,
Chanstochter!" und steckt ihr einen goldenen Ring an. "So gilt es denn, ab
sofort Abstand zu halten", sprach das Mädchen, und Beyrek trennte sich von ihr, um
zu seinem Vater zurückzukehren und ihn um seine Verheiratung zu bitten. Auf die Frage,
wessen Tochter er ihm denn geben solle, antwortete dieser keck: "Vater, ein Mädchen
sollst du für mich nehmen, das bereits aufgestanden sein soll, wenn ich mich erhebe,
schon beritten sein soll, wenn ich mein Roß besteige, das mir schon Köpfe bringt, bevor
ich in den Kampf gezogen bin. Ein solches Mädchen nimm für mich, o mein Vater!" |
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